Das Factoring-Team von JNS Legal (unter der Leitung von Bartosz Nadra, Monika Lisik-Zapart und Adrianna Trzcińska) erwirkte ein interessantes und wertvolles Urteil in einem Verfahren gegen einen Factoring-Schuldner.
In dem Fall ging es um einen Streit gegen einen Schuldner wegen ungedeckter Forderungen aus Umsatzsteuerrechnungen, die im Rahmen einer Globalzession erworben wurden. Nach Fälligkeit der Rechnungen und einer Zahlungsaufforderung "tauchten" plötzlich Berichtigungen beider Rechnungen, ein Handelsvertrag und Vereinbarungen über die Annahme von Ansprüchen auf Rückgabe beider Aufträge auf.
Der Zessionar als Eigentümer der Forderungen aus den Rechnungen erkannte die Berichtigungen aufgrund des Inhalts der (vom Schuldner unterzeichneten) Abtretungsanzeige und einer gefestigten Rechtsprechung nicht an und verklagte den Schuldner vor dem Landgericht Poznań auf Zahlung der Forderungen aus den Rechnungen. Der Schuldner verteidigte sich unter anderem mit dem Argument, dass er nicht klageberechtigt sei, dass die Abtretung unbestimmt sei, dass ein Handelsvertrag bestehe, dass eine Vereinbarung über die Rückgabe der Waren und die Ausstellung der Berichtigungen bestehe und dass die Rechnungen nicht finanziert seien.
Mit Urteil vom 31.07.2024 hat das Landgericht Poznań den Zahlungsbefehl im Verfügungsverfahren in vollem Umfang bestätigt und dem Factor (Zessionar) Recht gegeben. Das Urteil ist ein doppelter Erfolg für die Juristen von JNS LEGAL, denn Rechtsanwalt Bartosz Nadr ist der Verfasser sowohl der vom Gericht überprüften Factoring-Regeln und -Vorschriften, als auch dieser konkreten Abtretungserklärung, die nach Ansicht des Gerichts eindeutig und im Rahmen der Vertragsfreiheit die Rechte des Factoring-Schuldners und des Factors gegenüber einander regelt, auch im Rahmen der Gewährleistung, des Reklamationsverfahrens und der Beschränkungen bezüglich der Einflussnahme auf das Schicksal der vom Factor erworbenen Forderungen. Die einzelnen Bestimmungen erfüllten somit die in ihnen vorgesehene Betrugsbekämpfungsfunktion und die Dokumente selbst bestanden die Prüfung.
Die Urteilsbegründung ist eine Fundgrube wertvollen Wissens, da sie die Themen Factoring, Globalabtretung, Abtretung künftiger Forderungen, ungedeckte Forderungen, die Bedeutung der Abtretungsanzeige, die Grenzen des Forderungsprozesses und die Rechte der Parteien des dreiseitigen Garantieverhältnisses berührt.
Nachstehend die wichtigsten Zitate aus der Begründung des Urteils des Landgerichts Poznań:
[keine Verpflichtung, den Factoringvertrag in einem Rechtsstreit gegen den Schuldner vorzulegen] Die Klägerin war nicht verpflichtet, der Beklagten den Factoringvertrag mit der Globalabtretung bestehender und künftiger Forderungen vorzulegen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 509 § 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
[Wirksamkeit der Übertragung von nicht finanzierten Forderungen] Der Einwand der Beklagten zur Unwirksamkeit der Forderungsabtretung mangels Zahlung des Preises für die auf die Klägerin übertragenen Forderungen sei unbegründet. Nach Auffassung des Gerichts war der Zeitpunkt des Übergangs der Forderungen aus der Rechnung auf die Klägerin auf der Grundlage der Vorschriften (....) spätestens der Zeitpunkt der Rechnungserteilung. Sowohl der Factoringvertrag als auch die von der Beklagten unterzeichnete Abtretungsanzeige wiesen ausdrücklich darauf hin, dass die dispositive Wirkung der Abtretung künftiger Forderungen (die bloße Tatsache der Abtretung der Forderungen an die Klägerin) jeweils zu dem Zeitpunkt eintreten solle, zu dem die betreffende Forderung entstehe (z.B. die Erbringung einer Dienstleistung, der Verkauf einer Ware), niemals jedoch später als zum Zeitpunkt der Rechnungserteilung, ohne dass es diesbezüglich weiterer Erklärungen bedürfe. (...) In Anbetracht der obigen Ausführungen ist festzustellen, dass der Factoring-Vertrag vorsieht, dass die erworbenen Forderungen Eigentum des Factors sind, unabhängig davon, ob die Forderung finanziert wurde oder nicht, und dass alle Abrechnungen zwischen dem Factor und dem Factor erfolgen. Daher ist die bloße Tatsache, dass die betreffende Forderung finanziert wurde, für den Forderungserwerb unerheblich.
[ZoC als Modifikation der Gewährleistungsregeln] Wie bereits erwähnt, war der Beklagte über die Bedingungen der Abtretung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, einschließlich der Bedingungen für die Ausübung der Gewährleistungs- und Garantierechte, den Rücktritt vom Vertrag, die Rückgabe von Waren oder die Stornierung von Aufträgen, die Regeln für die Anforderung und Ausstellung von Korrekturrechnungen, tatsächlich informiert und akzeptierte sie; er war sich der Person und der Verpflichtung zur Zahlung an den Kläger bewusst, was er durch seine Unterschrift auf der Mitteilung über die Abtretung von Forderungen bestätigte.
[Unwirksamkeit von Anpassungen] Das Reklamationsverfahren für die von der Beklagten gekauften Produkte fand ohne Wissen und Zustimmung des Klägers statt, trotz der Verpflichtung, den Gläubiger/Rechnungssteller/Zessionar über dieses Verfahren zu informieren. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist festzustellen, dass die von der Beklagten eingereichten Reklamationen sowie die vom Lieferanten vorgenommenen Anpassungen der Rechnungen gegenüber der Klägerin unwirksam sind.
[offensichtliche Korrekturen] Die Infragestellung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Verpflichtung durch den ursprünglichen Gläubiger und die Feststellung von Mängeln an der Ware trotz der eigenen Unterschrift des Beklagten auf den Rechnungen und den WZ-Dokumenten, der Vorlage einer Erklärung, die den Erhalt der Ware und die Korrektheit der ausgestellten Dokumente bestätigt, sowie des Hinweises auf die eingereichten Reklamationen und die Korrektur der Rechnungen und die Unterrichtung des Klägers darüber erst nach Erhalt einer Zahlungsaufforderung, begründen nach Ansicht des Gerichts, wie der Kläger zu Recht hervorgehoben hat, einen begründeten Verdacht auf den Scheincharakter der vorgenommenen Handlungen. Die Zweifel des Gerichts in dieser Frage werden auch dadurch geweckt, dass der Beklagte nicht nachgewiesen hat (er hat nicht einmal das Datum angegeben), ob er die sich aus Artikel 563 § 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergebende Frist eingehalten hat.
[kein Recht, in angekaufte Forderungen einzugreifen] In der Abtretungsanzeige erklärte der Lieferant [Schuldner], dass er u. a. auf das Recht verzichtete, ohne Zustimmung des Factors Berichtigungen an den ausgestellten Rechnungen vorzunehmen und die abgetretene Forderung ohne Zustimmung des Factors zu mindern/stornieren. Diese Rechte wurden ausschließlich dem Factor eingeräumt. Daraus folgt, dass [der Schuldner] kein Recht hatte, ohne die Zustimmung des Klägers Berichtigungsrechnungen auszustellen, und der Beklagte kein Recht hatte, eine solche Berichtigung anzunehmen. In Anbetracht dessen bleibt die Beklagte dem Kläger gegenüber verpflichtet, die Forderungen aus den Rechnungen, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, zu begleichen, unabhängig davon, was sie mit dem Zedenten unternimmt, nachdem sie von der Abtretung der Forderungen Kenntnis erlangt hat.
[Unvereinbarkeit der Handlung des Schuldners mit Artikel 5 des Zivilgesetzbuchs] W Zu den Verhaltensweisen, die als Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens definiert sind, gehören auch die Grundsätze des Fair Play in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Unternehmern und zwischen Unternehmern und Unternehmen, die keine Unternehmer sind. Zu diesen gemeinsamen Grundsätzen, die nicht durch die Rechtsstellung bestimmt sind, gehören die Zusammenarbeit auf der Grundlage gegenseitiger Achtung, die Umsetzung gemeinsam getroffener (auch mündlicher) Vereinbarungen und das Vermeiden, den Partner mit Entscheidungen zu überraschen, die in unangemessener Weise gegen den beschlossenen Kurs des gemeinsamen Handelns verstoßen (vgl. das Urteil des Landgerichts in Warschau - XXII.) Nach Ansicht des Gerichts hat die Beklagte gegen die oben genannten Regeln verstoßen, da sie es versäumt hat, den Kläger darüber zu informieren, dass eine Beschwerde eingereicht wurde und dass der Zedent Korrekturrechnungen ausgestellt hat. Die Beklagte hat den Kläger nicht darüber informiert, dass die Waren an den Lieferanten/Zedenten/Rechnung zurückgeschickt wurden. Sie ist den Verpflichtungen, die ihr in der Mitteilung über die Abtretung der Forderungen mitgeteilt wurden, nicht nachgekommen.